titelbild fenster-gucker reiseblog

Reisebericht zu Madeira→Calheta→Casa das Mudas

Modernste Museumsarchitektur im Südwesten Madeiras: Das Zentrum für moderne Kunst Casa das Mudas in Calheta

Zentrum moderne Kunst Calheta

Das Zentrum für moderne Kunst in Calheta erweist sich von oben zuerst als depressiv wirkende Ansammlung von Betonklötzen. Sobald gefunden, erweist sich das Museum selbst aber als gelungenes Beispiel moderner Ausstellungs-Architektur und Wurzelort sämtlicher Panoramafotos, die betreffend Calheta Beach ins Netz gestellt worden sind. Auch die gerade angebotene Ausstellung von Werken man Rays findet durchaus unser Gefallen.

Das Cabo Girao hatten wir noch bei Sonnenschein besichtigen können. Danach hat sich der heutige Sonnenschein auf Madeira wohl auf unsere Terrasse in Calheta Beach beschränkt, der nun aber auch nach langem Kampf den dunklen Wolken weichen muss. Jetzt erinnern wir uns, dass wir ja noch das neulich entdeckte Zentrum für moderne Kunst in Calheta besichtigen wollten, wenn wir schon in der Gegend wohnen. Das Zentrum wird gerühmt einerseits wegen einer richtungweisenden Innenarchitektur, andererseits aber auch wegen seines gelungenen Einbaus in die Landschaft.

Nach schwieriger Orientierung mit überraschenden Einblicken in depressive Betonklötze–

Der mit grobem Kies terrassierte Vorplatz bietet Platz für einige Kunstskulpturen und linker Hand einen schönen Ausblick auf den Strand. Er wird anscheinend hauptsächlich von der Dorfjugend als Treffpunkt benutzt, weshalb es dort eher unruhig zugeht. Weiter hinten schmiegen sich die Dächer einer bunkerartigen Gruppierung einzelner Betonklötze abwärts in den Berg. In fernerer Zukunft werden sie wohl von einem zarten Grün versteckt werden, das jetzt erst sehr vereinzelt hervorlugt. So aber wirkt die Anlage eher wie ein Krematorium oder eine Gedenkstätte für irgendetwas Trauriges.

Wir besichtigen zunächst einmal die Galerie, die sich rechter Hand ebenerdig im Haupthaus befindet, das noch ein älterer Bau zu sein scheint. Auf großen Fahnen wurde ja am Eingang für eine Man-Ray-Ausstellung geworben. In einem einzigen, lang gestreckten Saal hängen großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien aus New York, Barcelona und Lissabon, alle entstanden in diesem Jahrzehnt. Sie sind beeindruckend, vor allem in der Betonung der Gegensätze im Alltagsleben zwischen den Metropolen. Ich hätte nur nicht erwartet, dass Man Ray immer noch am Leben ist und sich durch die Welt fotografiert.

Nachdem wir artig das scheinbare Spätwerk des Meisters bewundert haben, wollen wir nun auch noch das Geheimnis lüften, das sich in den dunklen Schluchten verbirgt, die zwischen den mit schiefergrauem Klinker verblendeten Betonkästen hindurchführen. Zunächst bietet sich an der Meerseite ein schöner Ausblick auf Calheta. Wir wissen jetzt zumindest, von wo aus das eine Foto gemacht worden ist, mit dem außer unserer auch die meisten anderen Ferienwohnungen hier werben, soweit sie den "Seaview" betonen wollen.

Unsere Ratlosigkeit nimmt noch zu, als wir uns von diesem Balkon aus in die inneren Klüfte zwischen die Betonklötze wagen. Eine besondere architektonische Leistung erschließt sich uns nicht, eher eine tiefe Depression. Wir schleichen bedrückt an den großen Fensterfronten vorbei, die gnädigerweise alle mit Leinenrollos abgedeckt sind. Der triste Ausblick kann auch wirklich niemanden zugemutet werden, der produktive Arbeit leisten soll. Anscheinend befinden sich irgendwelche Ateliers oder Seminarräume dahinter. Die Flucht mündet auf ein großes und deshalb helleres, zentrales Loch, an dessen Stirnseite nochmals ein riesiges Transparent auf die Ausstellung hinweist. Linker Hand öffnet sich ein heller Museumsladen, der dicke Kataloge und diverse Kunstobjekte feilbietet, angesichts der eher mageren, besichtigten Ausstellung erscheint uns das etwas übertrieben. Gegenüber führt eine weitere, ebenfalls durch Rollos abgedeckte Tür irgendwohin. Ein kleines Schild verkündet, dass sie geöffnet sei. Also drücken wir sie auf.

– treffen wir doch noch Man Ray in heller und moderner Museumsarchitektur vor weitem Blick auf Calheta Beach

Wir treffen nochmals auf eine Kasse. Ein kurzes Hineinschnuppern in die Räumlichkeiten lässt jetzt auch uns Museumsbanausen erkennen, zu guter Letzt in der eigentlichen Ausstellung gelandet zu sein. Wo wir schon da sind, wollen wir an den 5€ Eintritt auch nicht mehr herumknausern. Wir werden im Gegenzug zumindest lernen, dass Man Ray tatsächlich bereits seit 20 Jahren in Frieden ruht. Lore vermutet, die Bilder in der Galerie oben würden dann wohl von Baby Ray stammen, was ich jetzt zumindest nicht widerlegen kann.

Beim Schlendern durch die Ausstellung müssen wir wenigstens das architektonische Innere des Zentrums dann durchaus bestaunen. Hohe, klare Räume mit deutlichen, praktischen Lichtlinien, die sich in entsprechenden Geländerläufen an den Treppenaufgängen wiederholen, und teilweise in die Räume wachsende, helle Balkongalerien machen den Ausstellungsbesuch in der Besichtigungspraxis zu einem Vergnügen. Da sich das Zentrum nach unten in den Berg gräbt, tun sich auch überraschend viele Räume auf, am Ende fast mehr, als uns lieb ist. Das ist die gerechte Strafe für das anfängliche Lästern über eine zusammen gestutzte Weltausstellung in der ländlichen Provinz.

Man Ray selbst betreffend kann ich zumindest anhand seiner gemalten Bilder erkennen, warum mein Vater mich und die Familie anno dazumal mitnahm, als ich in Münchens Haus der Kunst die allererste Ausstellung meines Lebens besuchen durfte. Seine Portraitfotos diverser Persönlichkeiten der Zeitgeschichte sind interessant, auch unter historischen Aspekten, die Grafiken auch. Die Feinheiten seiner raffinierten fotografischen Spezialtechniken anhand der englischen Schrifttafeln zu entschlüsseln, fehlt mir bald der Nerv, obwohl sie darauf ausführlich erklärt werden. Das Gebäude selbst ist, zumindest innen, absolut sehenswert, natürlich auch die Ausblicke aus den Fensterfronten, die zur Küste hin gerichtet sind.

Wieder draußen erinnern uns das gähnend leere Restaurant und die Stille einer leeren Tiefgarage leider abermals an die äußerliche Krematoriumsathmosphäre. Mir leuchtet ja durchaus ein, dass die Landschaftsarchitektur erzwingt, neue Museumsräume in den Fels hinein zu erfinden und bin von der Lösung auch gebührend beeindruckt. Von oben und außen gesehen hätte es wegen mir aber auch eine Spur weniger "modern" und mehr dem Lokalkolorit angepasst ausfallen können. Manchmal scheint es mir, als solle an einigen Stellen der Insel mit Gewalt ein modernes Madeira erfunden werden. Das Beispiel der bemalten Türen an verfallenden Häusern in der Altstadt von Funchal zeigt, dass eine Kombination aus Althergebrachtem und Moderne auch anders geht.

Unbillen beim abendlichen Einkauf

Nachdem diese überraschenden Einblicke anstrengender waren als vorgesehen, gönnen wir uns einen Sundowner-Bica auf der Strandpromenade von Ribeira Brava, bevor wir zur anstehenden Einkaufsorgie schreiten werden. Der Sonnenuntergang selber ist natürlich erneut Beschiss wie immer, weil die Sonne sich schon weit vor dem Rotwerden hinter Wolken verzieht, obwohl noch kurz zuvor der Horizont selber völlig wolkenfrei war. Sofort wird es auch wieder ekelhaft kalt. Unser guter Wille, die Zigarettenmitnahmekontingente in erheblicher Höhe vorsorglich jetzt schon beim örtlichen Tabakhändler unseres Vertrauens zu erstehen bekommt einen unvermuteten Dämpfer, weil dieser auch einen Großeinkauf nicht mit Karte abrechnen will oder kann. Dann eben nicht.

Während wir unser Einkaufscenter besuchen, bricht fast ein Sturm los und die Berge ringsherum verdunkeln sich zum Fürchten. Eilig verstauen wir unsere Tüten und geben Gas, um noch vor dem befürchteten Inferno daheim zu sein.

Das gelingt nur knapp, doch Lore kann mich beim Kartenspielen nur deshalb nochmals in die Pfanne hauen, weil dasselbe unter unmöglichen Verrenkungen erstmals innen auf dem Bett stattfinden muss. Danach gibt es ein einfaches Menü aus guten, roten Kartoffeln mit Butter und hervorragender Käseauswahl. Der zu Testzwecken heute gekaufte Maracujalikör als Nachfolger des Bananas ist im Espresso von seinem Vorgänger höchstens durch eine leichte Placebo-Säure zu unterscheiden, erfüllt damit aber auch seinen Zweck.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

Vorhergehender Artikel

Tourismus und weite Aussichten am Cabo Girao

Schlechtes Wetter zwingt uns zum Abbruch der Wanderung bei Camara dos Lobos. Dafür schauen wir am Cabo Girao in schwindelerregende Abgründe auch ohne Skywalk

Nachfolgender Artikel

Nervenkostüm testen: Fahrt nach Boa Ventura

Ab Sao Vicente erwartet uns ein automobilistisches Abenteuer, die enge Landstraße über steilen Klippen nach Sao Jorge, der letzte noch nicht untertunnelte Küstenabschnitt Madeiras

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

[Sitemap] [Werbung schalten auf diesen Seiten] [Kommentar abgeben]