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Kleinstadtleben auf der Plaza Corredera und Tour durch die kleineren Kirchen Cordobas

Reisebericht zu AndalusienCordoba → Altstadt

Reges Geschäftsleben in der östlichen Altstadt vor dem römischen Tempel

Ein weiterer Altstadtspaziergang führt uns von der Plaza Colon zunächst zum Palacio Viana, der montags leider geschlossen ist. Wir trösten uns mit der kleinen Kirche San Andres und einem Colani-Sofa aus Stein im Palacio Villalones. Einen Kontrapunkt setzen die einsamen Säulen des römischen Tempels neben dem Rathaus. Dann studieren wir in aller Ruhe Trödlerläden und Gastronomenleben unter den schattigen Arkaden auf der Plaza Corredera

Heute steht der gemeinsame Spaziergang durchs touristische Hinterland an, nachdem wir die Kronjuwelen ja gestern schon besichtigt haben. Auch dieser Tag verspricht wieder relativ heiß zu werden, so dass wir uns für unsere Verhältnisse eher früh auf den Weg machen. Gestern hatte ich ja bereits in die Altstadtgassen hinein geschnuppert und begeistert berichtet. Trotzdem graut ihr etwas vor Strapazen, nachdem wir ja für den Abend einen zweiten Ausflug mit anschließendem Abendessen geplant haben.

Ich gelobe, mich kurz zu halten und mich auf das Wesentliche, also den Palacio Viana und die Plaza Corredera zu konzentrieren. Notfalls bleibt ja immer die Option, abzubrechen und mit den überall herumkurvenden Taxis heimwärts zu düsen.

Der Palacio Viana im Viertel Santa Marina bleibt uns leider verwehrt

Oberhalb der Plaza Colon verlassen wir unseren Bus. Einige Meter und Treppen aufwärts liegt San Cayetano an einem kleinen Platz. Angesichts des vor uns liegenden Kirchenmarathons verzichte aber auf Lores freundliches Angebot, für einen kleinen Schlenker meinerseits hier im Schatten auf mich zu warten. Wir steigen die Calle Mayor de Santa Marina hinunter und gelangen auch bald zur gleichnamigen Kirche. Ich nehme wieder zwei heimelige Vorplätze zur Kenntnis, möchte aber eigentlich zügig zum Palacio de Viana. Die dortigen Hausgärten werden als die schönsten in Cordoba beschrieben.

Die grobe Richtung ist eigentlich klar, aber aus gestrigen Erfahrungen nehme ich doch lieber nochmals die Karte zur Hand. Die schmale Calle Morales am südlichen Ende des Kirchplatzes führt uns dann auch tatsächlich zum Stadtpalast, auch wenn wir es nicht glauben können, bis wir unmittelbar davor stehen.

Ich hatte mir schon irgendetwas pompöses vorgestellt. Aber das schmale Eckhaus eines ebenso kleinen Plätzchens hätte ich ohne Schild niemals als "Palast" identifiziert. Erst jetzt fällt uns der etwas breitere, vergitterte Eingang zu den Patios daneben auf. Die Gitter sind aber leider zu. Die hoch aufgestapelten Stühle neben der Bar am Ende der herführenden Gasse hätten uns eigentlich warnen sollen. Heute ist Montag, der Tag, an dem eigentlich alle Museen in Mitteleuropa Pause machen wie die Friseure.

Zwischen San Andres und dem Rathaus hat Colani die Tourismusbehörde beehrt

Unverrichteter Dinge ziehen wir also weiter gen Süden und gelangen nach wenigen hundert Metern zur Plaza San Andres. Hier tobt schon wieder Leben, die Calle San Pablo geriert sich als Hauptstraße in Richtung Zentrum, in die andere Richtung würden wir auf direktem Weg wieder nach Hause kommen. Das sage ich Lore aber nicht.

Ich setze sie auf dem kleinen Kirchplatz in den Schatten der Orangenbäume, wo sie dem regen Treiben zwischen mittelalterlich ausgesetzten Erkern unter den Dächern der umliegenden Wohnhäuser zuschauen kann und widme mich jetzt doch mal der Kirche, wenn sie schon offen ist. San Andres stellt sich dabei als nicht wirklich spektakulärer, stiller Ort heraus, dessen Barockaltäre mich nicht vom Hocker reißen. Sehr schön finde ich aber die kleinen Seitenaltäre mit den Madonnenfiguren, die wohl auch das lokale Brauchtum betreffen. Wie schon in Sevilla pflegt wohl auch hier jede Pfarrei die Verehrung der eigenen Schutzheiligen, und das hat mich schon dort fasziniert. Diese Darstellungen mögen vielleicht kulturhistorisch nicht von riesiger Bedeutung sein. Mir gefallen sie aber, weil ich finde, dass man ihnen das Herzblut ansehen kann, das sie symbolisieren.

Wir schlendern weiter die Calle San Pablo hinauf in Richtung Rathaus. Der Unterschied zur ebenso belebten Juderia ist nicht zu übersehen. Zwar sind wir auch jetzt beileibe nicht die einzigen Touristen, aber der Trubel hier dient einem offensichtlichen Zweck: Einkaufen, Behördengänge, Arbeiten und Leben. Beim Blick in eine Nebenstraße fällt uns ein seltsamer Palast auf, weil ihm oben unters Dach ein fast altrömisch anmutender Säulengang aufgepappt wurde. Den schauen wir uns genauer an. Im Palacio de los Villalones ist wohl die cordobesische Tourismusbehörde untergebracht, deshalb herrscht hier hektisches Amtsleben und wir trauen uns nicht, die breiten, mit Gemälden gesäumten Stiegen nach oben zu erkunden.

Das Erdgeschoss ist aber irgendwie auch grotesk genug. Kleine, mit Säulengängen gesäumte Innenhöfe lassen auf eine römische Ausgrabung schließen, der das Restgebäude aufgesetzt wurde. Im Inneren eines Hofes aber befindet sich eine riesige Steinbank, die aussieht, als hätte Colani persönlich sie per Kran hier hinein versenken lassen. Wir sind etwas ratlos. Sollen wir den Sitztest machen oder gehen dann alle Museumslichtschranken auf Alarm-Modus?

San Pablo und stille Gassen hinter dem römischen Tempel am Rathaus

Genauso grotesk wirkt schließlich der Rathausplatz, den wir am Ende der Straße erreichen. Eingefasst von Altbauten wächst ein höchst modernes Gebäude vor uns in den Himmel, an dessen linker Seite eine eingezäunte Einöde die Ruinen einer römischen Tempelanlage umfasst. Der Hintergrund dieser etwas vereinsamt wirkenden Säulen wird ausgefüllt von ausgesprochen hässlichen Wohnbauten, wie wir sie aus den Vorstädten Malagas kennen.

Da tut es gut, dass gleich an der Ecke eine kleine Treppe zu einer stillen, kleinen Kirche führt, wo ich vielleicht etwas Kultur finden könnte. Leider ist San Pablo aber geschlossen und wird zudem von Pflasterarbeitern belagert, so dass ich mich auf den Blick in den blütengesäumten Vorhof beschränken muss.

Verkehrslärm und geschäftige Hektik vor seltsamen Hintergrund gefällt uns nicht so gut und wir ziehen uns schnell ans andere Ende des "Tempels" zurück. Von dort geht es einfach abwärts, wo man quasi sicher die Plaza Corredera erreichen müsste, steht in meinem Kopf-Straßenplan geschrieben. Abwärts ist aber nicht ganz gleich abwärts, und so machen wir noch einen unabsichtlichen Schlenker durch die schon wieder ruhigere Calle Fernando Colon. Hier haben sich aber einige Hotels etabliert, die schon zu Werbezwecken sehr schöne Einblicke in ihre Patios gewähren. Außerdem kann ich schon mal die Taberna Salinas in physischen Augenschein nehmen, eines meiner Top Favoriten für das heutige Abendessen. Am Ende kommen wir eben fünf Minuten später auf die Plaza Corredera und sozusagen von der "falschen" Seite, können uns aber nicht über mangelnde Einsichten beklagen.

Plaza Corredera: Markttreiben …

Die gleißende Sonne wirkt auf der riesigen Fläche der Plaza Corredera fast bedrohlich. Gleich rechter Hand bemerken wir aber eine kleine Ladenzeile unter einem der den Platz einfassenden Palazzos. Hier befinden sich die Marktstände, von denen ich gelesen hatte. Da schauen wir uns erst einmal im Schatten um. Schade nur, dass wir am letzten Tag in Cordoba nicht mehr zu kochen gedenken. Sonst hätte das Angebot an frischem Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch uns sicherlich animiert. Schön anzuschauen sind die Auslagen aber trotzdem.

Am Ostende des Platzes haben unter schattigen Arkaden einige Händler ihre Waren ausgestellt und hier findet Lore ihr Paradies. Ein Trödler bietet Dinge feil, die ich selbst seit 20 Jahren nicht mehr gesehen habe und schaue mir seine Auslagen entgegen sonstiger Gewohnheit auch genauer an. Nicht nur alte Nähmaschinen und Spieluhren, hier gibt es nahezu alles, was in europäischen Haushalten vor zwanzig Jahren unübliche Gebrauchsgegenstände waren, vom rostigen Nagel über Werkzeug bis zur Keksdose oder dem röhrenden Hirsch an der Wand.

Anscheinend ist der Händler Touristen gewohnt, möchte aber nicht als leibhaftiges Museum moderner Kulturgeschichte wahrgenommen werden. Große Schilder mit "No Fotographs" oder "Nicht berühren" sind über die Wände verteilt und er wacht auch durchaus mit Argusaugen darüber, dass diese Gebote eingehalten werden. Mit Schrecken schaue ich ins Innere des Ladens. Ein langer, mit Hochregalen gesäumter Gang führt hinein und dreht am Ende anscheinend noch in einen Innenhof. Mir wird bewusst, dass ich meine Frau die nächste Stunde nicht mehr zu Gesicht bekommen werde.

Ich habe also genügend Zeit, das öffentliche Leben zu studieren, während Lore im Verborgenen herumgruscht. Direkt vor dem Laden haben sich einige Senioren um ein kleines Holztischchen versammelt und spielen Karten. Es geht zu wie am Stammtisch jeder bayrischen Dorfwirtschaft. Nach jeder Runde wird ausgiebig nachtarockt, die Beisitzer werden abwechselnd als Schiedsrichter gefordert oder zum Schweigen verdammt, ab und zu fällt auch mal ein Witz mit gemeinsamen Lachen. Ich drücke mich ein wenig weiter ums Eck und versuche, aus dem Schatten des Säulengangs heraus ein Foto hinzukriegen und damit auch das akzeptierte Fotografierverbot des Händlers zu umgehen. Aber nachdem ich mich nicht zu weit aus meiner Deckung wagen möchte, wird es kein großer Wurf.

… und anstrengendes Gastronomenleben

Jetzt werde ich auch von hinten gestört durch Rumpeln und Scheppern. Im nördlichen Abschnitt der Arkaden sind die Cafés und Bars beheimatet, die jetzt offenbar ihre Pforten öffnen. Aus jedem Loch heraus befördern junge Leute mit Sackkarren Türme von Stühlen und Tischen in die brennende Sonne auf dem Platz. Danach folgen die großen Sonnenschirme. Jeden Tag müssen die armen Schweine die gesamte Bestuhlung aus den engen Ladenlokalen herausbefördern und abbauen, nächtens natürlich vice versa.

Die ersten Chefs tauchen auf mit blassen, zerknitterten Gesichtern, mütterlich umsorgt von ihren Bedienungen. Manche mit Kaffee, die ernsteren Fälle lassen sich auch lieber gleich das erste Konterbier in die Hand drücken. Da lob ich mir die Zeiten im bayrischen Biergarten wo die Bestuhlung stehen bleibt von April bis November. Trotz der Hitze geht es aber zügig voran, wer zuerst gestellt hat, verkauft schließlich auch zuerst. Am Wichtigsten jedenfalls scheint die Erstbeschattung über die Sonnenschirme zu sein.

Am Westende des Platzes ist ein riesiger Werbeträger mit einem vermutlich aufregend wirken sollenden Frauengesicht, das irgendeine Veranstaltung bewirbt. Es konterkariert schön die bürgerliche Fassade der Palazzos dahinter, als wolle es die Marqueses aufrütteln. Kommt aber auf den Fotos auch nicht so wirklich gut rüber.

Eine Weile kann ich mich noch mit der Wiedersehensfreude einer japanischen Familie beschäftigen, die sich in den riesigen Weiten des Platzes verloren geglaubt hatte, dann ist das aktuelle Sozialleben der Plaza Corredera wirklich ausgelutscht. Gerade als ich nun doch meine Frau aus den Weiten des Trödlerladens herauszuschmieden gedenke, kommt sie mir freudestrahlend entgegen. Immerhin, dieser Besuch sollte einen der Flohmärkte ersetzen, um die sie sich durch schlechte Terminwahl meinerseits betrogen fühlt.

Die gute Laune erspart es mir, nach Haltestellen des 1er-Busses zu suchen, der sich aus den Altstadtgassen entlang der Calle San Pablo zum Hauptplatz des Sagunto hinauf quält. Wir schlendern gemütlich in Richtung Paseo de la Victoria und beschließen der ersten Teil des heutigen Besuchstags. Jetzt erstmal heim in unseren Stadtpalast, danach kommt Shopping für Lore und Abendessen.

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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