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Kleine Kirchen, Plätze und Gassen in Cordobas östlicher Altstadt vom Guadalquivir bis zur Stadtmauer

Reisebericht zu AndalusienCordoba → Altstadt

Auf dem Weg von San Augustin zur Plaza Colon

Nach dem ausgiebigen Besuch der Mezquita ruhen wir uns im stillen Vorhof der Klosterkirche San Francisco aus und streunen das Ufer des Guadalquivirs entlang. Eine Solotour führt mich anschließend in die malerischen Ecken der Altstadtgassen um San Lorenzo und San Augustin, bevor ich zufällig noch das merkwürdige Kruzifix Cristo de los Faroles unterhalb der Plaza Colon finde. Auch Cordobas weniger bekannte Stadtteile bieten spannende Entdeckungen, bringen aber auch soziale Spannungen ans Licht.

Nach Besichtigung der Alcazaba und der Mezquita mit kleinem Spaziergang durch San Basilio haben wir schon fette Brocken bewältigt und die Tagestemperaturen sind jetzt auch Ende September wieder bei 35 Grad angelangt. Einen kurzen Abstecher nach San Francisco kann ich Lore noch abbetteln, dann muss es genug sein für heute.

Wieder daheim sticht mich der Hafer und die Angst, etwas zu verpassen, aber doch. Während sie ihre persönliche, verdiente Siesta hält, mache ich mich nochmals auf den Weg in Richtung San Augustin.

Cordobas Altstadt offenbart auch soziale Probleme

Von der nordöstlichen Ecke der Mezquita bei der Bar Santos aus schlagen wir uns in die engen Gassen. Einen strengen Besichtigungsplan habe ich angesichts der "abgehakten" Sensationen wie dem Alcazar und der Mezquita nicht mehr. Ich möchte in Richtung San Francisco latschen und by the way eines der bei der anfänglichen Recherche auch in Betracht gezogenen Quartiere in der Calle Julio Romero de Torres in Augenschein nehmen.

Zwar werden uns durch diese Nachlässigkeit einige Ziele des Reiseführers entgehen bzw. werden wir sie nicht wahrnehmen. Die Plaza de Jeronimo Paez werden wir einfach nur als gemütliches Altstadtplätzchen mit netten Caféstühlen unter schattigen Bäumen erfassen, nicht aber das dahinter liegende archäologische Museum. Und hinter San Francisco wäre einige Schritte weiter die Plaza del Potro gelegen sowie weitere bekannte Museen Cordobas. Dafür fehlen jetzt aber Kraft und Lust, auf Museumstour wollen wir dieses Mal ohnehin nicht gehen.

Dafür fallen uns andere Besonderheiten auf. Wie schon in Granada ist auch hier der Zustand der Gebäude in der Altstadt sehr unterschiedlich. Einige sehr gepflegt, einige luxussaniert, einige bedürftig. Dies scheint auch hier zu Spannungen zu führen, jedenfalls fällt uns immer öfter ein rotes Graffiti auf, mit dem einige Häuser deutlich sichtbar abgestempelt werden: "Casa sin gente, Gente sin Casa". Also Haus ohne Bewohner, Menschen ohne Wohnung. So malerisch fast jeder Winkel hier aussieht, die sozialen Probleme der Sanierung einer auf den Tourismus angewiesenen Altstadt kann man sich so unschwer vorstellen.

Gleich gegenüber einem solchen Objekt finden wir auch die gesuchte Ferienwohnung. Ins Innere können wir ohnehin nicht schauen, auch wenn alles sehr gepflegt aussieht. Mir geht es nur darum, mir selbst zu bestätigen, dass die logistischen Probleme einer solchen Altstadtlage für uns jedenfalls zu hoch gewesen wären. Tatsächlich hätten wir das Auto bestenfalls an der Puente Romano abstellen können und dann entweder durch 15minütigen Fußmarsch samt Gepäck (mit Equipment alles mal zwei) hierher gelangen können oder aber ein Taxi mühsam mit allen Einzelteilen unseres Reisehaushalts vollpacken müssen. Ein logistischer Alptraum, die Entscheidung für unsere Wohnung an der Calle Sagunto war also richtig.

San Francisco inmitten eines belebten Viertels am Guadalquivir

In mehreren Windungen führt uns die Gasse aber zur Calle San Fernando, wo sich schräg gegenüber der Eingang zum Vorplatz von San Francisco öffnet. Schöne Kachelbilder weisen uns schon gleich hinter dem Tor auf die Heiligkeit des Ortes hin. In seiner Stille und Entrücktheit erinnert der Hof etwas an San Jeronimo in Granada oder an kleine Kirchhöfe in Venedig. Außer uns hält nur ein Obdachloser mit imposantem Hut Siesta auf einer Parkbank vor der Kirche, gut bewacht von dem obligatorischen Hund.

Das Gotteshaus selbst ist natürlich geschlossen. Ich versuche auch, nicht zu laut an der Türe zu rütteln, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Aber auch von außen wirkt die Kirche reichlich imposant, der große Platz links neben dem Eingang war vielleicht zu früheren Zeiten ein Kreuzgang. Jetzt wirkt er im gleißenden Licht eher wie eine Ausgrabungsstätte. Trotzdem macht das ganze Ensemble einen gemütlichen Eindruck, wie ein kleines Nest innerhalb der vielen kleinen Nester im Gassengewirr von Cordoba.

Der baumgesäumten Calle San Fernando folgen wir noch bis zum Fluss. Ein Straßenrestaurant folgt dem anderen, alle sind auch jetzt noch gut besucht. Geistig notiere ich mir ein sympathisches Jagdrevier, falls wir ohne weitere Planungshilfe einmal auf die Suche nach einem vernünftigen Restaurant in Cordoba machen sollten.

An der Mündung der Straße am Fluss baut sich links ein ziemlich moderner Gebäudekomplex auf, auf dessen Dach sich der Außenwerbung nach das Cefé Sojo befindet. Auch das hatte Tanya uns ans Herz gelegt wegen der besten Aussicht über Cordoba und Umgebung. Kann ich mir gut vorstellen von hier unten. Lore erkennt aber wenig Schatten und quengelt jetzt schon ziemlich bestimmt heimwärts.

Den letzten Kilometer zurück zur Bushaltestelle lassen wir langsam angehen. Im Baumschatten des Paseo Ribera wandern wir den Guadalquivir entlang zurück in Richtung Mezquita. An den Gittern der Brüstung zum Flusslauf finden wir eine sympathische, international gewordene Symbolik: Auch hier sind überall die Schlösser der Jungverliebten um die Eisenstreben geklickt, die Baumrinden unserer Schattenspender bleiben dafür unangetastet. Ob sie den Schlüssel danach ins Wasser werfen, wie es sich für "ewige" Versprechen gehören würde? Neue Rätsel tun sich auf.

Wegen der jetzt endgültig auf Backofenniveau angestiegenen Temperaturen müssen wir oft Pause machen auf der eigentlich überschaubaren Distanz und sind daher genötigt, noch weitere Rätsel lösen. Gerne hätten wir überprüft, ob die junge Mutter, die ihren Kinderwagen mit dem wintermäßig vermummten Säugling mehrmals an unserer Ruhebank vorbeischiebt, nicht doch eine Puppe spazieren führt. Das alte Mühlrad unterhalb der Alcazaba ist zwar sehr pittoresk, kann aber zumindest aus heutiger Sicht nur Erde schaufeln. Unterhalb des Puente Romano baumeln seltsame Käfige, deren Bedeutung sich nicht erschließen lässt. Unter den Guadalquivir-Brücken von Sevilla hatte ich aber ähnliche Phänomene auch schon beobachten können. Zu guter Letzt, nachdem wir den Touristenhorden, die aus den an der Avenida del Alcazar parkenden Reisebussen freigesetzt werden, erfolgreich ein Bollwerk wie Steinquader an der Hafenmole entgegengesetzt haben, bestaunen wir noch den Notarztwagen, der es trotz eingeschalteter Sirene erst nach fünf Minuten schafft, den Kreisverkehr unterhalb der Puerta de Sevilla zu überqueren. Die allgemeine Höflichkeit scheint sich doch auf das Busfahren zu beschränken.

Am Ende speit dieser Kreisverkehr aber auch unseren Bus aus.

Von San Augustin zur Plaza Colon

Ich habe noch nicht genug und möchte noch einen kleinen Stadtspaziergang unternehmen, bevor der heute angesagte Wahlabend stattfindet. Gleich hinter der Stadtmauer, die unser Wohnviertel Levante von der Altstadt abgrenzt, liegt das östliche Viertel San Lorenzo. Nachdem es ja eigentlich immer nur westwärts Richtung Altstadt geht, kann ich mich kaum verlaufen und nehme nur den Fotoapparat mit. Reiseführermäßige Besichtigungen habe ich ohnehin nicht geplant, davon hatten wir heute bereits genug.

Solche Überheblichkeit rächt sich in Cordoba schnell. Unter dem Hauptplatz vor Sagunto teilen sich die Straßen in die Altstadt in zwei Arme, die auf Sicht ziemlich gleich bedeutend aussehen, auf Tanyas Touristenkarte war aber nur eine große Hauptstraße eingezeichnet und ich hatte natürlich nicht darauf geachtet, ob es der nördliche oder der südliche Ast ist, den ich wählen sollte, um zur Basilika San Lorenzo zu finden.

Andererseits lerne ich so eine weitere, zentrale Regel für Cordoba-Touristen: Der Weg ist das Ziel Hier gibt es keine geraden Straßen, nur leicht gekrümmte Gassen, die man für zielführend hält, einen aber am Ende unbemerkt nach Norden statt nach Westen dirigieren. Das kleinstädtische Flair hält sich aber überall auf, mit netten Details an jeder Ecke, auch wenn sie nicht im Reiseführer stehen. Der eher unbedarfte Spaziergang wird so schnell zur Überraschungsreise.

Auf diese Weise trabe ich an einer für mich sehr schönen Kirchenfassade hinter einem abgezäunten, palmenbewachsenen Vorplatz vorbei, die ich später weder im Reiseführer und noch nicht einmal auf Google Maps finde. Die vermeintliche Basilika von San Lorenzo finde ich wenig später, wo man sich unter den Arkaden des Vorbaus zur Abendmesse versammelt. Gefällt mir auch gut, wird sich später aber als San Augustin herausstellen. Die Art, wie sich diese touristisch vermeintlich unbedeutenden Plätzchen so als innerstädtische Kleinzentren für ihre Umgebung herausstellen, erinnert mich an Rom mit seinen tausend Kirchen verschiedenster Bauart und ich fühle mich irgendwie aufgehoben.

Über den Dächern sind immer wieder Glockentürme zu sehen, und deren Richtung folge ich einfach, auch wenn ich jetzt vollkommen die Orientierung verloren habe. In den engen Gassen ist es jetzt, sonntagabends, schon merklich still geworden. Irgendwann trifft man aber immer auf eine größere Straße, in der Menschen mit Büchern vor der Nase herumirren, meist hat man sie schon einmal gesehen.

Cristo de los Faroles: Merkwürdiges Kruzifix auf der Plaza des Capucines

So geht es auch mir. Nach einer gefühlten halben Stunde und gegangenen zehn Minuten sehe ich das deutsche Studentenpärchen in einer breiteren Straße, die heute Mittag am Eingang des Alcazars vor mir in der Schlange so ausführlich über den Einsatz ihres Studentenausweises am Ticketschalter diskutiert hatten. Wo die herkommen, muss was zu sehen sein und tatsächlich stehe ich wenige Meter weiter vor einer breiten, weißen Steintreppe, deren Aufgang mit ausladenden, violett blühenden Sträuchern bewachsen ist. Bewundere höflichst, den Aufgang spare ich mir, weil die oben vermutete Kirche ohnehin geschlossen sein wird.

Nach zwei Kurven stehe ich an der Plaza Colon. Da reift der Plan, den Rückweg einfach per Bus zu absolvieren. Wo er hält, weiß ich ja bereits von der letzten Heimfahrt. Auf diese Weise bleibt noch etwas Zeit, zu erkunden, warum andere Touristen diese Gegend erkunden müssen und ich schlage mich nochmals in die Gassen. Restlos ausgepowert bin ich noch nicht, da geht noch was.

So richtig spektakulär geht es aber nicht zu hinter dem Kolumbusplatz. Netter kleiner Park vor monströsem Stadtpalast mit Neubauwohnungen im Hintergrund. Da muss ich unversehens zwei Omis Platz machen, die lautstark diskutierend mit kunstvoll aufondulierten Haarresten und gewedelten Betheftchen in der Hand an mir vorbei schlurfen, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Denen folge ich jetzt einfach.

Nach wenigen Schritten öffnet sich ein kleiner, länglicher Platz. Von weiß gekalkten Häusern und Mauern umgeben steht hier eine Kreuzigungsfigur, an der mich vor allem die mit Blumen verzierten Umzäunungen und die Lampen fesseln. Die sitzen nämlich auf ziemlich wackelig aussehenden, mit Dornen gespickten Drähten, während die Dornen des Jesushauptes von einem stilisierten Heiligenschein überstrahlt werden. Da muss ich jetzt doch mal nachdenken. Stecken die Dornen im Licht der Erkenntnis und die Blumen sind der Lohn dafür? Jedenfalls habe ich so aus Versehen Cristo de los Faroles gefunden, der sich bei späterer Nachlese doch als eine der größeren Sehenswürdigkeiten Cordobas entpuppt.

Die Abgeschiedenheit dieses Platzes lädt zu solchen Gedanken geradezu ein. Dass seine Maße auch zum Fußballspielen für die Kleinen einlädt, stört mich dabei nicht. Es zeigt eigentlich eher, dass hier Leben herrscht und keine museale Quarantäne. Der Bettler an der Pforte zum links liegenden Palais mustert mich bereits erwartungsvoll. Auch die beiden Omis haben ihn mittlerweile erreicht und jetzt fällt mir auch das Kreuz über den Umfassungsornamenten auf.

Entgegen meiner Gewohnheit werfe ich einen kurzen Blick in die Kapelle der Kapuziner, wo der Gottesdienst noch nicht begonnen hat. So kann ich noch zwei schnelle Fotos von der schönen Madonna im güldenen Strahlenkranz schießen. Diese Überraschung hätte ich mir natürlich einfacher erjagen können, indem ich die Treppe zur Casa del Baile hinaufgestiegen wäre. So aber war es doch deutlich spannender. Diese Erkenntnis beruhigt mich, und mit stolz geschwellter Jägerbrust fahre ich heim zur Liebsten.

San Lorenzos denkwürdig verrückter Glockenturm

San Lorenzo habe ich mir natürlich trotzdem nicht entgehen lassen. Auch morgen werde ich wieder so einen zusätzlichen Nachmittagsspaziergang einlegen, diesmal besser vorbereitet, dafür weniger umfänglich. Die Basilika liegt sehr eigentümlich in einem Straßendreieck, was ihre Majestät aber eher betont. Man merkt, dass sie eigentlich die erste am Platze war, der ganze Rest ist später dazu gebaut worden. Das ganze Ensemble nimmt man am Besten einige Meter weiter wahr, wo auch der seltsam über Kreuz aufgesetzte Glockenturm am Besten zur Geltung kommt.

Hier treffe ich noch auf die seltsame Plaza Juan Bernier, die sich rechts der Hauptstraße öffnet. Sie scheint nur errichtet worden zu sein, um einem einsamen römischen Rundbogen Geltung zu verschaffen, der hier einigermaßen sinnlos in der Gegend steht. Jedenfalls geht kein Mensch unter ihm durch. Hier gibt es noch schöne Azulejos an den Wänden zu sehen und natürlich das gemächliche Plätschern des Kleinstadtlebens.

Auftragsgemäß erkunde ich noch die Supermärkte auf dieser Seite der Stadtmauer, es sind noch einige Getränke für den heutigen Abend zu erjagen. Eine zumindest von der äußeren Aufmachung her durchaus interessante Taverne liegt auch am Weg. Falls der für morgen geplante Restaurantbesuch doch schwierig werden sollte, fänden wir hier in der Taberna Sociedad Plateros vielleicht eine Alternative.

Jetzt in den frühen Abendstunden (oder für Spanier dem beginnenden Nachmittag) merkt man dem Park an der Calle Sagunto auch seine Stellung als soziales Zentrum des Viertels Levante an. Um die Plaza Cristo de Gracia, an der die Stadtmauer Altstadt und Neustadt trennt, tobt das Leben. Im tempelartigen Gebäude am Ende des Parks sind wohl neben der Bibliothek auch andere Sozialeinrichtungen untergebracht. Im Park toben die Kinder, eingerahmt von den Müttern in der ersten Bankreihe, eingerahmt wiederum von den das Treiben überwachenden Senioren in den äußeren Bankreihen. Alles in Ordnung.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Palacio Viana ist leider zu, im Villalones hat Colani gewirkt. Kleine Kirchen demonstrieren lokales Brauchtum, die Plaza Corredera Kleinstadtleben ohne Klischees, der römische Tempel Ruin

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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