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Reisebericht zu Andalusien→Costa de la Luz→Conil El Palmar

El Palmar bleibt stilloses Fischerdorf ganz im Gegensatz zum Abendessen in Conils "Patio de Cadiz"

Altstadt Conil nach der Fussballbegeisterung

Wir frischen unsere Erinnerung an El Palmar auf, empfinden das kleine Fischernest aber auch bei schönem Wetter als eher gesichtloses Surferparadies. In Conil wollen wir das Abendessen einnehmen, dort herrscht angesichts des Fußballderbys Begeisterung. Mit dem "Patio de Cadiz" landen wir einen echten Glücksgriff in der reichen Auswahl an Restaurants, nachdem unser zuvor recherchierter Favorit "Dos Hermanos" noch geschlossen ist.

Der kurze Ausflug zur Cala del Aceite hinter dem Cabo Roche war aber schon alles, was Lore kräftemäßig heute zugemutet werden kann. Wir fahren also wieder nach Hause und bereiten lieber in aller Ruhe die Logistik für die morgige Abreise vor. Für die letzte Nacht in Malaga schnüren wir zwei kleine Rucksäcke mit den dann noch vorhandenen Restbeständen und den Utensilien, die wir noch so brauchen werden. Der Rest wandert in die Koffer, die wir dann gar nicht mehr umher schleppen wollen.

Trotz ausgiebiger Ruhepausen ist es aber immer noch zu früh zum Abendessen, als wir endlich mit den Vorarbeiten zufrieden sind. Ich möchte daher nochmals den Katzensprung nach El Palmar als vorabendlichen Spaziergang wagen. Im letzten Jahr hatten wir den Ort bereits durchfahren, weil von unseren ältlichen Reiseführern als ruhiges Fischerdorf beschrieben und als Wohnmöglichkeit ausgewählt. Damals waren wir eher schockiert, was aber auch am unvorteilhaften Wetter und der sehr frühen Vorsaison gelegen haben mag. Diesen Eindruck könnten wir ja jetzt zum Schluss der zweiten Reise einem versöhnlicheren Fazit zuführen.

El Palmar ist und bleibt für unsere Augen ein gesichtsloses Surferparadies

Die engen Landstraßen, die durch die Ebene unterhalb Conils nach El Palmar führen, sind wir ja schon gewohnt. Die erste Stichstraße, die bereits am Ortseingang zum Strand führt, finde ich auch problemlos nach der Erinnerung vom letzten Jahr. Bei strahlendem Sonnenschein und einem Monat später in der Saison herrscht jetzt auch Leben an der Uferpromenade oder dem löchrigen Asphaltstreifen, der sich hier zwischen den Strandbars und Sportgeschäften durchzieht.

Unser letztjähriger, noch dem damals schlechten Wetter zugeschobener Eindruck bestätigt sich erneut. Jetzt herrscht hier immerhin Leben um uns herum, das verschafft dem angeblichen Fischerdorf immer noch keinen Ansatz von Flair. Hier fährt man einfach hin, versucht, sein Auto zu parken, knallt sich in die Sonne oder geht surfen. Das dies schwierig werden könnte, ist auch offensichtlich: Jeder ungenutzte Grünstreifen entlang der Straße ist mit Ketten abgesperrt und ein provisorisches Holzhäuschen wird dort später in der Saison den Gebührenkassierer für den bewachten Parkplatz beherbergen. Alle Bars und Geschäfte sind allein dem Strand-Remidemi ausgerichtet und wie es in den Gassen dahinter aussieht, haben wir ja schon sehen dürfen.

Wohnen möchte ich hier nach wie vor keinesfalls. Für jede Form von gemütlichem Sitzen und Touristen glotzen in ruhigem Ambiente muss man nach Conil fahren. Pure Surf-Fans mögen das anders sehen, die haben es hier natürlich ideal. Raus aus der Bude und zehn Meter zum Strand.

Grenzenlose Fußballbegeisterung anlässlich des Nationalderbys Barcelona gegen Real, aber überraschende Parteinahme

Wir dagegen machen uns raus aus dem Ort und versuchen, in Conil einen angemessenen Ort für unser Abschieds-Abendessen am Cabo Roche zu finden. Dort ist heute richtig was los, später wird das spanische Fußball-Nationalderby Real Madrid gegen FC Barcelona stattfinden und aus allen Lokalen dröhnen bereits die Lautsprecher. Das macht die Auswahl des Restaurants nicht einfacher, auch wenn ich nichts dagegen hätte, mir den einen oder anderen Blick auf das Spielgeschehen zu gönnen.

Intuitiv und ohne weiteren Hintergrund war ich der Überzeugung, in der autonomen Provinz Andalusien müsste eigentlich jeder Barcelona-Fan sein, nachdem ja die Katalanen neben den Basken quasi den Vorreiter der Autonomie-Bemühungen abgeben. Ich hatte ja bereits spaßeshalber überlegt, das vor einigen Tagen stattgefundene Champions-League-Halbfinale Real Madrid gegen den heimischen FC Bayern in einer hiesigen Kneipe zu feiern. Davon abzusehen, war vielleicht kein schlechter Gedanke, denn Real Madrid ist hier der örtliche Favorit. Selbst die junge Frau, die uns später bedient, flötet schon das Wort "El Real" mit einer Hingabe, als spräche sie direkt mit der heiligen Madonna und müsse nun vor Verzückung in Ohnmacht fallen. Später habe ich mir von einem gewordenen Deutsch-Spanier erklären lassen, dass die Katalanen in ihrem Separatismus einfach zu reich und hochnäsig aufgetreten sind, als dass sie im staubigen und eher armen Andalusien einen Fuß auf die Erde bringen könnten.

Wir traben unbeeinflusst von diesen Querelen durch die Altstadt auf der Suche nach einem geeigneten Restaurant. Immerhin gibt es überall schon genügend Kundschaft, deren Anspannung fast mit Händen zu greifen ist. Das Lokal gleich oberhalb der Kirche sieht nicht schlecht aus, die durch die Fenster zu besichtigenden Tapas-Teller sehen jedenfalls nicht schlampig aus. Natürlich habe ich zuvor bereits etwas schlau gemacht und eigentlich die Bar "Dos Hermanos" als Favorit gespeichert.

Hier sollten wir nach Meinung sehr vieler Bewertungen das authentischste Tapas-Angebot finden. Sie ist auch am Ende der Altstadt hinter dem oberen Stadttor leicht zu finden, ist aber noch geschlossen. Entweder sind wir mit unseren deutschen Zeitvorstellungen wieder zu früh dran oder sie wollen sich nicht an dem Fußballgezeter beteiligen. Durch die Fenster ist immerhin zu sehen, dass es dort zumindest sicherlich authentisch zugegangen wäre.

Qual der Wahl: Conils Altstadt mit breitem Angebot an Restaurants

Damit habe ich meine Vorbereitungskarten bereits verspielt, die weiteren Vorschläge wären hinterhalb der Altstadtgrenzen angesiedelt und einen derart ausgiebigen Spaziergang wollen wir heute nicht mehr unternehmen. Ohne weitere Vorbereitung fällt die Auswahl schwer, weil sich Restaurant an Tapas-Bar reiht und natürlich jedes Fenster sich an die erwarteten Touristen richtet. Aufdringliche Menschenaufhalter mögen wir nicht, die sich uns mitten auf der Straße in den Weg stellen und "Gutabend" krähen, Gitarrenmusik im Hintergrund auch nicht.

Wir landen am Ende wieder in der Calle de Cadiz und finden dort auch einige Häuser, die vom präsentierten Ambiente auf den Außentischen durchaus ansprechend wirken. Am Ende entscheiden wir uns für das letzte Lokal fast am Ende der Gasse, weil es am Unaufdringlichsten wirkt. Draußen wird es bald zu kalt werden, also suchen wir den Raum, der dem Lokal seinen Namen geben sollte, den Patio. Mit einem ähnlichen Namen haben wir ja in Cordoba schon einmal großes Glück gehabt.

El Patio de Cadiz: Glücksgriff mit reichhaltiger Auswahl an Fisch, Fleisch und Tapas

Tatsächlich öffnet sich hinter dem Hauptraum, in dem dicht gedrängt die Stammgäste bereits dem mittlerweile angepfiffenen Fußballspiel entgegenfiebern, eine kleine Treppe nach unten, wo ein durch verspannte Matten von der ehemals wohl offenen Front zur meerseitigen Altstadt hin abgeschlossen wurde. An der Wand plätschert leise ein kleiner Wasserfall an einer Granitwand herunter, was wohl zumindest akustisch den ansonsten nicht sofort erkennbaren Patio-Charakter erwecken soll. Von den locker verteilten Tischen im Strandbarstil sind schon einige besetzt, erkennbar Touristen (alle anderen sind natürlich oben vor der Glotze). Die ist auch für mich interessant, und gleich unterhalb der Treppe findet sich ein Plätzchen, von wo ich ab und zu einen Blick riskieren kann, ohne die besondere Bedeutung dieses Abschiedsessens für uns beide zu brüskieren.

Die Speisekarte ist ambitioniert und ganz offensichtlich darauf ausgerichtet, die Gewohnheiten eines internationalen Publikums zu berücksichtigen. Es gibt eigene Salatteller, eine reichhaltige Kombinationsmöglichkeit von Tapas und Fleischgerichte mit besonderem Herkunftsanspruch und eine Tageskarte mit Hauptgerichten. Ich habe jedenfalls schon einmal echte Entscheidungsschwierigkeiten.

Die junge Dame, die uns bedient, läuft untypisch für hier im lässigen Outfit deutscher Studenten umher, ist dafür aber gut geschult und erledigt ihren Job trotz der Nervenschwäche für "El Real" freundlich und kompetent. Diese Überraschungen mögen daran liegen, dass jetzt ab und zu ihre Chefin unaufdringlich an einem der Tische in Erscheinung tritt. Sie ist offenhörbar Deutsche. Das mag noch keine Garantie für Qualität sein. Es ist aber eine Erklärung dafür, warum wir hier unseren Erwartungshorizont trotz original spanischer Küche so deutlich besser angesprochen sehen als in manch anderen Lokalen.

Die Qualität wird dann geliefert. Nach langem Ringen haben wir auf eine Vorspeise verzichtet, obwohl die Tapas-Auswahl sich geradezu aufgedrängt hätte. Dafür können wir uns als Amuse-gueule immerhin an den drittbesten Oliven von Andalusien erfreuen. Lore bekommt ein am Stück gebratenes Schweinfeilet im Bacon-Mantel, dem sich seine besondere Herkunft tatsächlich erschmecken lässt. Ich hatte lange mit dem Kaninchen in Mandelsauce geliebäugelt, mich dann aber doch für den als traditionell bezeichneten Merluz à la vacha entschieden, der als Eintopf mit Erbsen und Spargel kommt. Auch der ausgezeichnet. Wegen der ausgefallenen Vorspeise gibt es noch eine schön dekorierte Tarte nach Art des Hauses für mich, die den Abend schön abrundet.

Mit 42€ sind wir für so einen schönen und genussreichen Abend gut bedient und steuern sehr zufrieden durch die Feiernden unserem Auto zu. Auch alle anderen hatten nämlich einen schönen Abend, "El Real" hat 2:1 gewonnen. Das ist in den Gassen zu spüren und ein Mit-Feiern wäre sicher auch lustig geworden. Unserem Alter und dem Abend angemessen verbringen wir aber lieber einen stillen Ausklangabend auf der Terrasse des Olivar de Conil. Diesmal fast windfrei, mit weiteren Sternschnuppen, und bei einigen Gläsern über einen weiteren Andalusien-Urlaub philosophierend. Er hat uns mit Baeza und Sevilla kaum weniger Überraschungen bereitet als der erste, obwohl wir uns vorbereitet wähnten. Und das erholsame Wiedersehen mit dem Cabo Roche war trotz Lores Kränkeln der erwartete Traum. Fehlt nur noch Malaga als Abschluss und neues Kapitel zugleich.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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