Alhambra de Granada: Die Medina und der Palast Karls V

Reisebericht zu Andalusien → Granada → Alhambra

Der Spazierweg vom Eingangstor der Alhambra entlang der Burgmauern lässt noch nicht viel von maurischer Grandezza erahnen. Die Ruine der Medina erinnert an das Forum Romanum und Karls V. Rennaissancepalast wirkt in seiner Wuchtigkeit fast deplatziert. Mittendrin in diesem touristischen Hochsicherheitstrakt von Granada spielt sich sogar wieder öffentliches Leben ab.

Nachdem wir uns vom Generalife aus einen groben Überblick über die bauliche Anlage der Burg verschaffen konnten, gehen wir jetzt die Besichtigung der Alhambra selbst an.

Öffentliches Leben nicht nur in den Resten der Medina

Unmittelbar nach dem vorherigen Scheideweg treten wir jetzt durch den südlichen Torbogen in die Alhambra selbst ein. Der breite Weg schlängelt sich zwischen Hecken an der Burgmauer entlang, rechts von uns erstrecken sich die Fundamentreste der ehemaligen Behausungen des Gesindes, die Medina. Schon im Forum Romanum konnte ich mit solchen Steinmauerresten im Boden wenig anfangen, aber wir nehmen zur Kenntnis, dass sich unser eigenes Leben zu früheren Zeiten wohl hier abgespielt hätte.

Am Anfang und Ende des Weges werden unsere Eintrittskarten wieder abgescannt. Wahrscheinlich sitzt irgendwo unter den Fundamenten die geheime Schaltzentrale, die jederzeit weiß, wie viel Menschen pro Quadratmeter sich in welchem Planquadrat des Geländes aufhalten. Es werden jedenfalls langsam mehr.

Zugleich beginnt jetzt am Ende des Weges wohl auch die Zone, wo sich die nicht ganz so Armen aufhalten durften. Zu unserer Überraschung scheint das sogar heute noch so zu sein, denn zuerst flanieren wir an der Zufahrt zu einem ziemlich feudal wirkenden Gästehaus vorbei und finden direkt vor unserer Nase noch das Hotel "America", äußerst schnuckelig und mit einem ausgesprochen schönen Patio. Möglicherweise am Abend etwas abgeschieden vom quirligen Stadtleben, aber mit etwas mehr Geld ließe es sich hier schon ganz gut leben, und das noch mitten im Hochsicherheitstrakt. Überraschenderweise wird es in den Führern gar nicht so teuer eingestuft, wenn auch notorisch ausgebucht. Ein paar Häuschen mit Souvenirläden auf der anderen Straßenseite runden den Eindruck einer Fata Morgana mitten in der Kulturhochburg ab. Hier wäre sicher der richtige Platz für das nächste Tete-a-tete in der Kulturhauptstadt Granada zwischen Zapatero und den europäischen Granden, die Spanien vielleicht demnächst aus akuten Geldnöten helfen müssen.

Der Palast Karls V: Potemkinsche Fassade oder schlichter Fremdkörper?

Als Kulisse für das Gruppenfoto würde sich dann auch der direkt anschließende Palast von Karl V. anbieten, ein zweistöckiger, wuchtiger Rennaissancebau. Abgesehen von der schieren Größe wirkt die Fassade aber ziemlich beliebig, sie könnte ebenso im Stadtbild von Barcelona, Paris oder Rom stehen und kaum auffallen. Der auf maurische Burg eingestellte Besucher wundert sich eher, was der Klotz hier zu suchen hat (der Grund steht im Reiseführer). Symbolisch wichtig für das Gruppenfoto wäre das Innenleben. Es besteht nämlich aus einem riesigen, kreisrunden Hof, umrahmt durch steinerne Rundbögen und Arkaden, so dass die trutzigen Außenmauern von hier innen eher wie eine Potemkinsche Fassade wirken. Und oben, über dem ganzen, wo man jetzt eine faszinierende Kuppel erwartet wie im Pantheon, ist , Überraschung, nichts, nur der sich grau zuziehende Himmel. Hier empfehlen wir besagtes Gruppenfoto zu schießen, um zu zeigen, oben, wo der Kopf sein sollte, ist , eben wie gewollt, gar nichts. Trotzdem bewirkt der Ort einen Eindruck von großer Klarheit und Stille und passt irgendwie zum Bild maurisch-christlicher Verständigung, als deren Sinnbild ich die Alhambra schon von meinen Jugendfilmen her sehe. Er verkörpert eben den Geist der Aufklärung, wie er einige hundert Jahre später gesehen wurde. Der alhambrisch-maurisch gestimmte Besucher ist nur nicht darauf vorbereitet.

Die verbleibende Zeit nutzen wir für eine Brotzeit auf den Bänken vor dem Palais, auch wenn der Wind jetzt ungemütlich pfeift. Hier kann man das Treiben der Besucher aus aller Herren Länder schön beobachten. Eine gut beleibte arabisch anmutende Großfamilie, die wohl ihr weibliches Juwel ausführt, zumindest die einzige, die (sehr) bunte Kleider und Schleier tragen darf und möglichst vor jedem Winkel fotografiert wird. Zwei junge Pärchen, die sich wechselseitig unter Verrenkungen abknipsen, die fast bis zum Handstand reichen. Warum die Aufnahmen von Bodennähe aus die Vorzüge der Angebeteten so viel besser zum Ausdruck bringen, bleibt uns allerdings verborgen. Ein sehr junges Mädchen, das mit großem Ernst den Reiseführer studiert, während die Mutter versucht, die Augen offen zu halten und an einer Vorlesung nicht interessiert ist. Die Champs Elysées können kaum interessanter sein, und wir lernen so einige unserer Reisebegleiter für die nächste Stunde in den Nasridenpalästen zumindest optisch schon mal kennen.

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