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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Stadtviertel Zentrum San Jeronimo

Kloster und Kirche San Jeronimo Kontrastprogramm wie so oft in Granada

Kloster San Jeronimo Granada

Wie so oft in Granada erleben wir auch in der Klosterkirche San Jeronimo ein überraschendes Kontrastprogramm. Unscheinbarer Vorplatz, friedlicher Kreuzgang und fast höhlenartiger Eingangsbereich führen in mit Fresken reich bebildertes Kirchenschiff, dessen goldglänzender Retabel den Vergleich mit Capilla Real und Kathedrale nicht zu scheuen braucht und mit einzigartiger Bauausführung aufwartet.

Mittlerweile neigt sich die Siesta ihrem Ende zu. Zwar können wir die Karawanserei nur von außen besichtigen, aber in den Seidenmärkten seitlich der Kathedrale herrscht bereits wieder geschäftiges Treiben. Lore ersteht eine wattierte, orangefarbene und zugegeben ziemlich fetzige Jacke, die nicht nur ihr sondern auch den zukünftigen Urlaubsfotos Wärme und Originalität verleihen wird. Schwarz vor grauem Himmel ist einfach nicht besonders fotogen. Auch sonst muss man der Alcaiceria, dem ehemaligen Seidenmarkt zubilligen, durchaus attraktive Angebote zu bieten, obwohl sie ja auf den ersten Blick eher wie ein gigantischer Souvenir-Supermarkt aussieht.

Wir gönnen uns noch ein Eis, obwohl die Temperaturen nicht unbedingt dazu einladen. Aber die ausladenden Dekorationen auf den einzelnen Wannen in den Eistheken faszinieren uns jetzt schon seit Tagen. Zugegeben schmeckt das Eis selbst auch nicht sehr viel anders als daheim und das tolle Arrangement aus Fruchtscheiben, geschnitzten Ananas, Kokos und Schokofiguren darüber ist vermutlich aus Wachs, aber es sieht toll aus. Bei uns hat der Werbegag jedenfalls gezogen und ich muss zugeben, noch nie dermaßen toll ausstaffierte Eisvitrinen gesehen zu haben. Da können sie bei uns noch was lernen.

Zufrieden schleckend stapfen wir also durch das jetzt schon fast altbekannt wirkende Univiertel in Richtung Kloster San Jeronimo. Der Dritte-Welt-Laden mit seiner interessanten Auslage hat wie immer geschlossen, an "Swanee" hat Lore wegen jüngster Erfahrungen und gehabtem Konsumerlebnis kein Interesse, wir sind also wieder voll auf Kultur eingestellt.

Das Kloster San Jeronimo empfängt uns eher unscheinbar

Gleich neben der Einfahrt zu einem Parkhaus treten wir durch einen Steinbogen in einen kleinen Vorgarten ein. Wir sind etwas überrascht von der plötzlichen Stille. Am Ende des kargen Grünstreifens in der Mitte des langgezogenen Vorplatzes, links und rechts einige Parkbänke, öffnet sich neben einem augenscheinlichen Wohnbau des Klosters linker Hand noch etwas versteckt die Fassade der Klosterkirche. Wären die Anlagen so gepflegt und wasserbesprenkelt wie im Generalife, könnte das durchaus Eindruck machen. So aber fühle ich die etwas zweifelnden Blicke meiner Frau im Nacken, die sich fragen, wo hier die mit 2 Sternen bewertete Kultursensation versteckt sein sollte.

Wir betreten die Kirche den Schildern und dem Führer folgend durch den Wohnbau. Immerhin ist die Türe nicht verschlossen, obwohl es gerade erst 15:30 geworden ist, die Öffnungszeiten des Führers scheinen noch zu stimmen. Im Hof vor der Türe hatten sich gerade noch die einzig sonst anwesenden Lebewesen voneinander verabschiedet, der männliche Part stürzt hinter uns herein und dient uns Eintrittskarten an unter Entschuldigungen. Ich finde das sehr sympathisch, Lore versucht eine kurze Meuterei bezüglich der Preise. Letztlich wissen wir aber beide, dass Tourismus kein Spaß ist und eben Geld kostet.

Kontrastprogramm auch in San Jeronimo: aus dem friedlichen Orangenhain des Kreuzgangs führt ein höhlenartig tiefgelegter Eingangsraum in die Klosterkirche

Der nette Pförtner wünscht uns einen angenehmen Aufenthalt und hält uns die schwere Holztür auf. Dahinter öffnet sich ein friedlicher und freundlicher Kreuzgang, hinter dessen Arkaden ein Orangenhain die Vierung ausfüllt. Lore denkt erkennbar über Orangensaft nach. Wir setzen uns erst einmal auf eine der Steinbänke, lassen das Bild des Hofs und der Seitenansicht des Klosters auf uns wirken und studieren unseren Führer.

Die den Kreuzgang umgebenden Räume wirken größtenteils etwas düster und wenig spektakulär. Namen und Bedeutung im Rahmen des klösterlichen Lebens kann ich mir ohnehin nicht merken. Einige der ausgestellt wirkenden Figuren und Bilder sind aber durchaus bemerkenswert, zeigen einen naiven Symbolwert. Im Fußboden des Kreuzgangs sind immer wieder einzelne Namenssteine eingelassen, deren Beschriftung wohl an die verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft erinnern soll. Es sind nicht gerade viele angesichts der mindestens 400 Jahre Geschichte, die wir hier durchwandeln, aber dieser ruhige Platz im Orangenhain erscheint mir als würdigen Ort für ein Gedenken.

Nach Umrundung des Kreuzgangs treten wir also über das Seitenportal in die eigentliche Kirche ein. Der Führer hatte ja bereits gewarnt, der Besucher würde einige Sekunden benötigen, sich zu orientieren und die ganze Pracht wahrzunehmen. Das stimmt. Der niedrige Vorraum wirkt zunächst so, als müsse man sich geduckt dem Eingang einer Höhle annähern. Sobald man aber um die Kurve kommt, der Seiteneingang sich also nach rechts dem Hauptschiff öffnet, sieht man als erstes den golden glänzend aufragenden Rentabel am Ende des noch in dämmrigen Halbdunkel schlafenden Bauwerks.

Die Fresken und der glänzende Retabel der Klosterkirche San Jeronimo erzählen viele Geschichten, die baulichen Besonderheiten ebenso

Sobald sich die Augen an die Dämmerung gewöhnt haben, gewinnen auch die Bemalungen sämtlicher Wände an Gestalt. Zum letzten Mal durfte ich einen derart bildgewaltigen Comic-Strip in Assisi bewundern vor dem dortigen Erdbeben. Stundenlang könnte man hier sitzen und versuchen, die Bedeutung der einzelnen Fresken zu ergründen. Für die meisten sind wir nicht bibelfest genug, um ihre Aussage übersetzen zu können. Es scheint jedenfalls in der ganzen Kirche keinen Quadratzentimeter zu geben, der nicht irgendeine Geschichte zu erzählen versucht.

Als wir uns umwenden, erklärt sich auch der höhlenartige Eingang in dieses Juwel bebilderter Bibelgeschichte. Über den gesamten Eingangsbereich der Kirche wurde quasi ein erster Stock eingezogen, unter dessen Boden wir in das Mittelschiff eingetreten sind. Vermutlich saßen oben die Mönche und unten das gemeine Volk, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, so eine Konstruktion noch nirgendwo gesehen zu haben. Sie bewirkt natürlich, dass es das gemeine Volk im Gegensatz zu den über ihm Sitzenden ziemlich dunkel hat und dem strahlenden Gold des Altarbilds noch ehrfürchtiger entgegenblickt.

Am Sockel des Retabels finden wir wieder links und rechts die beiden Stifterfiguren, lebensecht wie immer. Der Führer berichtet die Geschichte von einem berühmten Mauren vertreibenden Feldherrn und seiner Frau. Sie hat zu seinen Ehren die Kirche hier bauen lassen, auf dass er ein standesgemäßes Mausoleum zu letzten Ruhe fände. Allein wegen ihnen könnte man sich schon hinsetzen und überlegen, was sich hier vor 500 Jahren abgespielt haben könnte. Hinzu kommt noch die Illustration der einzelnen religiösen Geschichten im Hochaltar über ihnen. Dieses Setzkastenprinzip haben wir ja in der Kathedrale und der Capilla Real bereits kennengelernt. Hier finden wir aber eher einen Ort der Ruhe, wo man sich die Zeit auch nehmen mag, die einzelnen Szenen zu erfassen und anzuschauen. Leider ist das ohne Feldstecher fast nicht möglich.

Ich mache einfach Fotos in der Hoffnung, dass mir die digitale Hochauflösung auch später die Möglichkeit geben wird, einzelne Details in Ruhe unter die Lupe zu nehmen. Angesichts dieser Pracht bleibt einem fast nichts anderes übrig. Ich denke, ein Mensch meiner Kleinheit und ohne Fotoapparat kann im Jahre 1700 gefühlte Ewigkeiten in dieser Kirche verbracht haben, um alle Geschichten zu ergründen, die hier erzählt werden.

San Juan de los Dios bleibt ein Geheimnis

Nach einem Besinnungsverschnaufer im Vorgarten schauen wir ums Eck in Richtung Triumphbogen. Die benachbarte Kirche San Juan de los Dios ist noch geschlossen wie immer. Wie wir von unserem ersten Besuchstag wissen, wäre sie im Inneren San Jeronimo durchaus ähnlich, aber anscheinend finden hier tatsächlich nur Geheimmessen à la "Sakrileg" statt.

Wir fühlen uns aber mit diesem Kloster auch kulturell ausgelastet, den Besuch der Cartuja verschieben wir auf einen anderen Tag. Derart bombastische Besichtigungen brauchen erst einmal verdauen, um im Gedächtnis hängen bleiben zu können.

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Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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