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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Umgebung Alpujarra Pampaneira

Die Alpujarra, der Südhang von Granadas Sierra Nevada

Granada Sierra Nevada Alpujarra Südhang

Hinter Lanjaron beginnt die Route der weissen Dörfer der Alpujarra. Trotz wechselhaftem Wetter genießen wir hier schöne Aussichten, eine durchaus urtümliche Berglandschaft und ein Dorfleben, das sich trotz Tourismus weit von vermuteter Folklore abhebt. Besonders Pampaneira bietet immer noch das Bild einer intakten Dorfgemeinschaft.

Nach dem lärmenden Flohmarktbesuch steht uns jetzt endgültig der Sinn nach etwas Natur. An Granada vorbei fahren wir sozusagen um den Westausläufer der Sierra Nevada herum Richtung Meer. In Lanjaron, dem so genannten Tor zur Alpujarra werden wir die Autobahn verlassen und den Südhang dieses imposanten Hochgebirges entlang fahren.

Unterwegs dorthin durchqueren wir eine karge Hügellandschaft, anfangs in Granadas Nähe noch relativ industriell geprägt, dann eher durch nichts außer vereinzelten Bäumen, die mehr dem Zweck einer geografischen Markierung zu dienen scheinen denn einer natürlichen Bepflanzung. Dazwischen verstreuen sich ganz vereinzelte Gehöfte. Immerhin ist es um diese Jahreszeit noch vergleichsweise grün, im Sommer stelle ich mir das alles ziemlich trostlos vor. Im Stillen danke ich meiner Intuition, sämtliche mit Naturverbundenheit und Stille sowie der Nähe zu Granada beworbenen Appartmentangebote in dieser Gegend schon bald zur Seite gelegt zu haben. Die "Natur" scheint sich mir hier darin zu erschöpfen, dass nichts Bebautes draufsteht, dafür ist aber auch sonst kilometerweit nichts zu entdecken, was das Auge erfreuen könnte. Freilich ist von einer Autobahn aus auch gut lästern, möglicherweise sind ja hinter diesen kargen Hügeln auch Perlen versteckt. Ich persönlich fühle mich aber im kleinstädtischen Alfacar mit seiner Busverbindung doch deutlich besser aufgehoben als in diesem Nichts.

Lanjaron: Das Tor zur Alpujarra

Dieser Eindruck verkehrt sich sofort in sein Gegenteil, als wir ostwärts Richtung Lanjaron von der Autobahn abbiegen. Fast unvermittelt wird die Strasse kurviger und windet sich an eukalyptusbestandenen Gebirgsausläufern entlang. Herausgeputzt präsentiert sich alsbald der Ort selbst, so wie die Vorgebirgsferienzentren im Allgäu auch. Bei einer ersten Orientierungspause schauen wir auf die gegenüberliegende Kette der Sierra de la contraviesa, deren Höhenzüge uns noch die Sicht aufs Meer versperrt und an deren Ausläufern die Autobahn dorthin strebt. Um uns herum warten großzügige Parkplätze auf Besucher, die von hier aus wohl dem Bergtourismus in all seinen Winter- und Sommerfacetten frönen können und sollen. Die Werbetafeln überall an Parkplätzen und Geschäften vermitteln jedenfalls den Eindruck einer breiten Auswahl.

Wir werden natürlich dem in allen Reiseführen gleichermaßen vorgeschlagenen Routenplan folgen und uns bergeinwärts über die Strasse nach Pampaneira durch die für ihre spektakulären Ausblicke hochgelobte Poqueira-Schlucht kämpfen. Als Alpenländler, die auch die Bergwelt Korsikas und Madeiras durchforstet haben, fühlen wir uns zwar durchaus wohl in dieser Landschaft, gerade auch im Kontrast zu dem, was hinter uns liegt. Zum Beeindrucken braucht es aber schon etwas mehr. Das gilt auf den ersten Blick auch für die kleinen, weißen Adlernester aus Häusern, die sich in manchen Kurven der bewaldeten Strecke jetzt im Berg abzeichnen. Leider hat sich die Wetterlage wieder gedreht, und so wirken sie statt strahlend eher verloren und die gebirgliche Szenerie wechselt auf bedrohlich, was aber auch seinen Charme hat. Hier hereingeweht könnte man die Landschaft jedenfalls kaum von Korsika oder Madeira unterscheiden, was für sie spricht, für uns aber nicht direkt spektakulär ist. Für den mediterran nicht so erfahrenen Niedersachsen beispielsweise wird das Ganze aber schon ziemlich grandios aussehen.

Pampaneira: Weit mehr als reine Alpujarra-Folklore und Romantik der weißen Dörfer

Eine typisch andalusische Überraschung dagegen bietet dann das Dörfchen Pampaneira selbst. Der durch eine winzige Hofschleuse erreichbare Parkplatz vor dem eigentlichen Dorfkern ist, wie kaum anders zu erwarten, fast voll und wir ergattern erst in der zweiten Durchrundung einen freien Platz, als jemand ausparkt. Das erste der weißen Dörfer hier am Südhang ist natürlich auch das frequentierteste, denken wir uns und erwarten eher ein kleines Disneyland der Alpujarra-Folklore.

Der Ortseingang, wenige Meter entfernt, bestätigt uns natürlich in diesem Vorurteil. Restaurants, Souvenirläden in Reihe, unübersehbar bis zum Ende des Weges. Immerhin bieten aber die beiden Straßenstände tatsächlich künstlerisch Besonderes, kleine Figürchen aus Draht wie sie auch Lore noch nicht so gesehen hat. Und trotz aller unübersehbaren touristischen Erschlossenheit müssen wir zunehmend Abbitte leisten.

Der Ort hat Flair und Charme trotz jetzt unangenehm zugiger Witterung und ganz offensichtlicher Touristenausrichtung. Pittoresk schmiegen sich die engen Gassen den Berg hinauf, auch wenn wir sie nur von unten betrachten können wegen Schnaufschwäche. Die aus Steinen gemauerten Wasserrinnen in der Mitte aller Wege lassen erahnen, was hier passieren kann, wenn der Berg ungnädig ist. Eine unschöne Bauruine in der Dorfmitte könnte hier ihre Ursache haben, doch selbst sie tut dem allen Naturgewalten trotzenden Gesamtbild keinen Abbruch. Wir sind beeindruckt trotz des Rummels.

Das setzt sich fort, als wir die Läden auch besuchen, wo wir schon mal hier sind. Da gibt es größtenteils keinen puren Kitsch und Ramsch, sondern tatsächlich schöne Dinge sogar zu fairen Preisen. Einen Großteil der lästigen Mitbringsel-Pflichteinkäufe erledigen wir hier, und zwar gerne. Wer kitschigen Luis-Trenker-Klischees von alpenländisch-ehrlich den Naturgewalten trotzenden Bergdorfgemeinschaften nachhängt, der kann das Original hier noch finden, wenn er zugesteht, dass Touristenströme auch zu Naturgewalten gehören. Uns erschien beim Schlendern die Dorfgemeinschaft jedenfalls intakt und nicht gespielt, das Angebot jeder Form hatte Anspruch an Qualität und das Begaffen einer solchen Gemeinschaft und des zugehörigen Dorfes fällt auch leichter, wenn dieselbe offensichtlich darauf eingestellt ist.

Mal wieder überrascht fahren wir erstaunt und auch sehr zufrieden weiter. Mittlerweile ist es zwei Uhr geworden und wir wollen einfach noch tiefer in diese Welt vordringen. Deshalb sparen wir uns den Abstecher in das weiter oben gelegene, noch weißer und noch spektakulärer gelegene Bergdorf Capileira. Wir sehen aber auch, dass hier ein sicher schöner Urlaub für Wanderfreaks oder badewillige Skifahrer Raum finden kann, für eine Granadabesichtigung ist man hier aber schon absolut zu weit weg vom Schuss.

Die Route der weissen Dörfer der Alpujarra wie Perlen auf der Schnur

Wie Perlen auf einer Schnur reiht sich Dorf an Dorf, natürlich mit reichlich Landschaft dazwischen. Anfangs bestimmt eher noch ein wilder, kluftiger Eindruck die Bilder, weiter westlich wird es gefälliger, der Blick geht Richtung Meer, das man durch die eine oder andere Passlücke im Vorgebirge zu sehen glaubt, soweit diese nicht gerade durch tief hängende Wolken verdeckt wird. Immer dann, wenn wir jetzt aber endlich im nächsten Dorf unsere Kaffeepause einlegen wollen, beginnt es pünktlich zu regnen und wir fahren weiter.

In Treveléz, wohl der eigentlichen Skistation hier im Südteil der Sierra Nevada, wollen wir eigentlich endgültig pausieren. Ich bilde mir ein, den Ort noch aus Harry Valériens Skireportagezeiten im Ohr zu haben als Geburtsort eines damals berühmten Exoten. Natürlich trübt es sich pünktlich ein, was beim Durchfahren keinen Ort sympathisch macht. Aber hier erscheinen uns die Hotels größer, protziger und zahlreicher, das Dorf weniger dörflich. Eigentlich eher der unattraktivste Ort von allen, die wir bisher passiert haben.

Nachdem aber langsam der Hunger treibt, machen wir einfach Brotzeit am Strassenrand und glotzen blöde über das Tal. Aus den Resten des gestrigen Hühnercurrys haben wir uns Luxus-Bocadillos gezaubert, wie sie uns kein chices Skifahrer-Terrassenlokal bieten kann. Es gilt nun auch Entscheidungen zu treffen. Einerseits können wir die Rundfahrt hier abbrechen, uns talabwärts richten und dort auf einer vermutlich weniger kurvenreichen Landstrasse zur Autobahn nach Granada zurückkehren. Oder aber die Fahrt entlang der Berge fortsetzen, um auf der Passhöhe des Puerto de la Ragua die Sierra zu durchqueren und dann nördlich über Guadix nach Granada zu kommen. Entfernungsmässig dürfte es von unserem jetzigen, schon weit westlich gelegenen Standort kaum Unterschiede geben. Im Sinne einer echten Rund-Fahrt entscheiden wir uns für den Pass. Sollten wir den Verlauf des Wolkenzugs richtig interpretieren, könnte es ja vielleicht zu einem Kaffee in 2000 m Höhe bei Sonnenschein reichen.

Dieses Grundprinzip reiner Hoffnung wird uns auch weiterhin erhalten bleiben. Ein Sonnenplätzchen für meine Zigarettenpause ergibt sich immer erst zwei bis drei Kurven nach einer Ortsdurchquerung, was aber meist einen pittoreskeren Blick auf die weißen Nester bietet. Meistens entsteht die Parkmöglichkeit dort durch den Umstand, dass sich die örtliche Bauschuttdeponie hier befindet. Für uns ist das kein Nachteil. Während ich den Blick unterstützt durch den Feldstecher in die Ferne richte, kann Lore bodennah auf Schatzsuche gehen. Alle Fliesenfragmente, die sie mit nach Hause nehmen wird, stammen aus diesen Stunden.

Diese Arbeitsteilung im Blickwinkel ist typisch für uns, ergänzt sich aber prächtig, weil uns auf diese Weise nichts entgeht. Beim architektonischen Städtebummel kommt es auch vor, dass ich sie auf einen besonders geformten Glockenturm aufmerksam machen will, sie mich aber im selben Moment fragt, ob mir die besonderen Räder dieses Kinderwagens aufgefallen sind, der anscheinend gerade an uns vorbei geschoben wurde.

Insgesamt aber beschert uns das störrische Beharren auf Kaffeepause und Dorfbesichtigung unter Sonnenschein das Ergebnis, außer Pampaneira kein weiteres Pueblo Blanco mehr besichtigt zu haben, uns aber im Austausch durchaus schöne Aussichten beschert worden sind. Das wird uns auch auf dem Puerto de la Ragua erhalten bleiben.

Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten

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Wochenmarktgedränge am Mercadillo

Enges Wochenmarktgedränge bietet wohl Schnäppchen, erfordert aber starke Nerven.

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Puerto de la Ragua Pashöhe und Mirador

Winterwelt über La Calahorra bietet spektakuläre Ausblicke bis Guadix vom Mirador des Puerto de la Ragua

Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten


© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de

Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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