Reisebericht zu Andalusien→Sevilla→Mairena de Aljarafe Sevillanisima 2012, Fiesta in Mairena del AljarafeIn Mairena, unser Heimatgemeinde auf Zeit, besuchen wir die zufällig gerade stattfindende Fiesta der örtlichen Bruderschaften. Neben neuen Einblicken in die Abendstimmung an der Plaza de Cuba erleben wir ein schönes Familienfest im Hippodrom. Wir erleben vielleicht nicht gerade die Highlights des Flamenco, bekommen aber einen ehrlichen Einblick, wie er heute noch gelebt und gefeiert wird. Eher zufällig war Lore das Plakat aufgefallen, das für die örtliche Fiesta hier in Mairena geworben hatte. Sevillanissima 2012 erschien uns zwar etwas übertrieben, nachdem wir uns die weltberühmte, einfache Fiesta Sevillana an Wohnkosten schon nicht leisten können und mit Absicht genau zwischen den Ostertagen und dem Volksfest hier sind. Anstelle einer eventuell eher enttäuschenden Show in den für uns nicht bewertbaren, vielzähligen Flamencokellern der Hauptstadt hatten wir uns aber entschieden, lieber dieses Vorstadtvergnügen zu besichtigen. Nach Stärkung mit einem "leichten" Abendessen zu bayrischen Essenszeiten machen wir uns höchst gespannt auf den Weg dorthin. Abendstimmungen in Mairena del Aljarafe: Ganz neue SichtweisenEs ist bereits dunkel geworden. So spät waren wir bisher noch nicht unterwegs und erleben ganz neue Ansichten. In den Bars rund um die Metrostation Cavaleri tobt das Nachtleben, fast alle Tische draußen sind besetzt. Absolut weltmännisch wird die Springfontäne inmitten des Kreisverkehrs an der Plaza de Cuba jetzt im Wechsel rot, blau und grün angestrahlt, was dem ganzen Ambiente plötzlich einen lebendigen Großstadtfair verleiht, während er bei Tageslicht einfach das Vorortzentrum einer Trabantenstadt repräsentiert. Auch in der folgenden Avenida de las Americas zieht neben der schon bekannten Mall auch das nachfolgende Einkaufszentrum Metromar anscheinend immer noch Kunden an. Das nächtliche Leben tobt, anscheinend befinden sich auch mehrere Diskotheken in den riesigen Komplexen. Spaßhalber bin ich später daheim die kurze Strecke mit dem Auto von Googles Streetview abgefahren, wo man noch nachvollziehen kann, wie es hier vor einem monumentalen Bauboom ausgesehen hat. Bei unserem gestrigen Ausflug in den Westen konnten wir ja live erleben, dass dieser eigentlich noch weitergehen soll, auch wenn er momentan wohl krisenbedingt pausiert. Wir fahren die eine Station bis Ciudad Expo dennoch mit der Metro, weil wir ja keine Ahnung haben, was uns erwartet. Etwas unsicher folgen wir einfach dem vermuteten Mainstream, nach wenigen Metern können wir aber anhand des Musikpegels eindeutig eine kleine, hell erleuchtete Halle etwas zurückgesetzt von der Hauptstraße als Ziel anvisieren. Aus der großen Zahl von Autos, die auf einer Wiese neben dem Zugangsweg geparkt sind, können wir sicher erschließen, dort nicht alleine zu sein. | |||
Sevillanisima im Hippodrom: Hausmannskost auch an Flamenco, Familienanschluss dafür garantiertTatsächlich haben wir "Centro Hipico" ziemlich zutreffend mit Hippodrom übersetzt. Jedenfalls betreten wir eine Art Reithalle, in der ein ohrenbetäubender Lärm herrscht, gegen den die auf der am anderen Ende aufgebauten Bühne Musiker mit den Waffen der elektrischen Schallverstärkung gegenhalten. Alles Volk und die Stände der Anbieter an Speisen und Getränken haben sich auf der Reitfläche versammelt, die Ränge links und rechts an den Seitenwänden sind gähnend leer. Es wird geschwatzt, gelacht und, zu meiner Freude, auch geraucht. Wir versuchen, uns zu orientieren. Kleine Tischchen in der Mitte der Arena bieten die Möglichkeit, sich sozusagen einen Anker zu schaffen und dort auch seine Flasche oder seinen Teller abzustellen. Auf die Ränge trauen wir uns nicht, obwohl man von dort den musikalischen Darbietungen vermutlich besser folgen könnte. Für spanische Verhältnisse dürfte sich die Fiesta ja gerade erst im Anfangsstadium befinden. Vermutlich sind diese Plätze für die zu prominenterer Zeit eintreffenden Mitglieder der veranstaltenden Bruderschaften reserviert. Tatsächlich füllen sich diese nach und nach im weiteren Verlauf, allerdings offensichtlich ohne irgendein System. Eine Zeitlang wollen wir dem ganzen schon zuschauen. Am linken Seitenrand der Arena sind die Freßstände aufgebaut, eine gar nicht schlampige Ansammlung verschiedener Salate und anderer Tapas. Das Angebot wirkt genau wie bei heimischen Vereinsveranstaltungen, wo eben jeder irgendetwas zubereitet, was dann für die Vereinskasse verkauft wird. Ich halte mich rechts, wo das Bier in den üblichen Kleinflaschen verkauft wird. Auch wenn ich mich anscheinend zutreffend ausdrücke, merkt der junge Mann natürlich sofort meinen ausländischen Zungenschlag, scheint sich aber über das Interesse der Weltöffentlichkeit an dieser Fiesta zu freuen. Nur Bier gibt er mir keines, obwohl ich mit einem 10-Euro-Schein wedele, der ja wohl genügen dürfte für zwei kleine Fläschchen. Auch dem herbeigerufenen Herrn Papa gelingt es nicht, mir das Problem zu erklären. Ist mein Spanisch ohnehin schon zwischen mangelhaft und nicht vorhanden anzusiedeln, zerstört der allgemeine Lärm auch den letzten Rest von Verständigung. Meine eigenen Erfahrungen in Organisation solcher Events erweisen sich jetzt als nützlich. Aus den Gesten und vorgezeigten Beispielen erkenne ich schnell, dass hier Bons gekauft werden müssen, gegen die es dann an den Ständen Ware gibt. Lässig erstehe ich sicherheitshalber vier Biermarken, hole mir zwei Cruzcampos bei meinem jungen Freund und belohne sein erleichtertes Grinsen mit einem kleinen Trinkgeld für die Vereinskasse. Eine bunte Revue an Flamenco-Darbietungen erinnert etwas an ein SchulkonzertJetzt fühlen wir uns schon fast wie die Fische im Wasser und wühlen uns etwas weiter in Richtung Bühne vor. Das ist gar nicht so einfach, weil jedes zentrale Tischchen von ganzen Großfamilien belagert wird, in die wir natürlich nicht eindringen wollen, und diese sich aber manchmal aber auch über mehrere Tischgruppen hinweg zu freundschaftlich verbundenen Clans zusammenschließen, was man erst merkt, wenn man zum dritten Mal beiseite gedrückt wird, um einer mit Anlauf ausgeführten Begrüßungsumarmung auszuweichen. Hier geht es jedenfalls familiär zu, man kennt sich und freut sich über das Wiedersehen, ohne dass wir uns als Fremdkörper fühlen. Leider können wir aber nicht mitreden. Immerhin sind wir aber weit genug vorgedrungen, um zu erkennen, dass unserem lebhaften Teil in Richtung Bühne noch der gesetzte Abschnitt folgt. Dort sind wie in einer Schulaula Stuhlreihen aufgebaut, wo scheinbar die sitzen, die brav klatschen müssen, von der eigentlichen Action aber nichts mitkriegen. Da wollen wir natürlich nicht hin und ziehen uns etwas zurück. Mittlerweile hat der aufgeweckte Moderator auf der Bühne die dritte Musikgruppe während unserer Anwesenheit angesagt und wir können uns betreffend der Darbietungen noch nicht entscheiden, ob wir beim jährlichen Schulkonzert oder einer zumindest halbprofessionellen Flamenco-Revue gelandet sind. Jedenfalls scheinen sich bei jedem Programmpunkt eher schreiende oder anklagende Gesangstiraden mit einem im Hintergrund dargebotenen Tanz zu treffen, der zwar nach unseren heute gewonnen Erkenntnissen dem Flamenco entspricht, so aber irgendwie mehr als Beiwerk rüberkommt. Die wellblechähnliche Bedachung der ganzen Halle sorgt allerdings auch für eine Akustik, in der Steppen oder Klatschen ohnehin nicht mehr von dem allgemeinen Lärmpegel unterscheidbar wäre. Lore hat diese Form des Musikvortrags schon im Flamencomuseum ohnehin als zu aggressiv für ihren Geschmack empfunden, und dieser Grundeindruck ändert sich hier nicht. Sie ist aber ganz froh, das zumindest in diesem farbenfrohen Ambiente zu sehen, aus dem man sich jederzeit wieder verabschieden kann und nicht in einer 30€-Show, wo man das Eintrittsgeld auch absitzen muss. Wir genießen mit dem zweiten Bier noch den wirklich stimmgewaltigen Auftritt zweier Damen, die offenbar auch anzügliche Spottverse im Repertoire haben, was zumindest die Reaktion des Auditoriums nahelegt. Die nachfolgende Boygroup wird uns dann doch zu viel. Laut fordernde Schmachtgesänge mit heftigsten Tremolos aus spätpubertierenden Jungenkehlen sind halt nicht so unser Geschmack. Allerdings müssen wir schon beim Heimweg zur Metro zugestehen, dass schon wenige Meter außerhalb der Halle alles wieder ganz anders und wie Musik klingt. Trotzdem widerstehen wir dem kurzen Impuls, von hier noch etwas vom eigentlichen Konzert zu genießen. Es war ein langer Tag, den wir jetzt beschließen wollen. Vermutlich haben wir nicht gerade die Größen der aktuellen andalusischen Flamencoszene getroffen, im Tagesverlauf aber viel davon gesehen, wie er heute noch lebt. Das soll uns genügen. | |||
Wenn Sie dem Verlauf dieser Reise folgen möchten
Und hier der Gesamtüberblick dieser Reise mit allen Berichten | |||
© 2004-2014 by Martin Haisch Gastromartini gastrobetreuung.de
Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014
Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten
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