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Reisebericht zu Andalusien→Granada→Stadtviertel Albaizin

Rundgang durch den Albaizin: Granada ganz anders

San Nicholas Granada Andalusien

Der Rundgang durch die malerischen Gassen des Albaizin macht einmal mehr die Vielschichtigkeit des Stadtbilds von Granada deutlich. Das maurische Viertel bietet nicht nur den Mirador mit dem berühmten Ausblick auf die Alhambra, hier lebt immer noch Arm neben Reich in einem kulturellen Schmelztiegel.

Auch heute Morgen empfängt uns nicht gerade Traumwetter beim ersten Augenaufschlag. Immerhin gibt es frisches Holzofenbrot und ein hervorragendes Frühstück a casa. Wir wursteln etwas vor uns hin und beschließen, heute wieder einen Stadtbesichtigungstag einzulegen. Der Alfacarbus nach Granada um 12:40 bringt uns natürlich mitten in die Siesta, daher fahren wir mit dem Kleinbus erst einmal auf den Albaicin, das alte maurische Viertel gegenüber der Alhambra. Hier hoffen wir auch in mttäglicher Ruhe zumindest schauen zu können.

Kartenbild und Realität: Albaizin und Sacromonte zeigen den Unterschied

So lange der Bus dem Flusslauf des Darrio entlang fährt, können wir uns noch einigermaßen orientieren. Dann aber geht es steil bergauf, und an einer Ampel taucht er nach links in die schmalen Gassen ein. Nach rechts würde es, dem Flusslauf weiter folgend bergauf in den Sacromonte gehen.

Granada ist ein Musterbeispiel für die Schwierigkeit, sich vorab am heimischen Schreibtisch via Laptop oder Streetviews ein Bild zu machen vom Aufbau einer Stadt. Nicht nur, dass in unseren Führern sich die meisten Kartenbilder an der strengen Ausrichtung nach Norden orientieren, während lokale Karten einfach versuchen, die hauptsächlichen Straßenstränge in ein optisch passendes Kartengitter zu drängen, das sich von der Via Colon aus als zentrale Achse aus orientiert. Die erwähnte Ampel ist eigentlich der Scheidepunkt, von dem aus eine einzige Strasse den Sacromonte aufwärts erschließt, den man nur verstehen kann, wenn man ihn gesehen hat. Auf jeder Karte sieht es für den unwissenden Betrachter so aus, als sei Sacromonte ein sich oberhalb des Albaizin dort anschließender, weiterer Stadtteil. Faktisch windet sich aber nur ein enges Sträßlein in die Berge hinauf, gesäumt von Gitanobars und kurz gestaffelten Häuserzeilen.

Durch die engen Gassen im Albaizin

Unser Minibus rattert erst einmal nach links direkt in die schmalen Gassen hinein. Die Wege sind so eng, dass kaum ein Fußgänger neben dem Bus Platz finden kann, was aber seiner Geschwindigkeit keinen Abbruch tut. Auf dem holprigen Pflaster klirren alle Scheiben und Sitze. Nach der dritten Kurve haben wir bereits den Überblick verloren, wo ungefähr wir sein könnten, auch Kriterien wie bergauf oder bergab bieten in dem schnellen Wechsel keine Hilfe. Die Haltestelle San Nicholas wird jedoch im Gegensatz zu allen anderen vom Busfahrer laut mitgeteilt. Ein klares Signal für alle Touristen, dass der Zeitpunkt zum Aussteigen gekommen ist.

Eine büromäßig gekleidete, nicht mehr ganz junge Dame stakst auf hochhackigen Schuhen den Weg herunter, was angesichts des kleinteiligen Kopfsteinpflasters einem Balanceakt gleicht. Bis zum nächsten Bus wird sie wohl die fehlenden zwanzig Meter zur Haltestelle noch schaffen, diesen erreicht sie jedenfalls nicht mehr.

Wir schnaufen ihren Spuren entgegen bergauf und nach wenigen Metern haben wir den Mirador erreicht, ein breiter Vorplatz zu Füßen eines kleinen Kirchleins, als Balkon das genaue Gegenstück zu seinem Bruder gegenüber in den Nasridenpalästen der Alhambra. Das wuchtige Schiff in seiner ganzen Breitseite liegt auf Augenhöhe gegenüber am entgegen gesetzten Abhang des Darrios.

Publikumsmagnet im Albaizin: Der Mirador von San Nicholas

Wir haben den Mirador von San Nicholas erklommen. Es herrscht Flower-Power-Stimmung wie im Montmartre der siebziger Jahre. Eine Gypsy-Band singt feurige Lieder von zwei Gitarren begleitet. Einige Pärchen haben ihre Brotzeit auf der Begrenzungsmauer ausgebreitet und machen Mittagspause. Hunde streunen herum und versuchen, die Reste der Mahlzeiten zu erbetteln. Trotz des grauen Himmels ist die Aussicht perfekt und dieselbe in einer warmen Abendstimmung mag so atemberaubend sein, wie sie ja teilweise beschrieben wird.

Wir nehmen erst einmal auf einem Mäuerchen am Rand Platz und beäugen neben der Aussicht auch das Geschehen auf dem Platz, nicht ohne den Obolus für die Musik während deren Pause auf den Blechteller zu legen. Angesichts warnender Berichte über böse Menschen ist uns alles nicht ganz geheuer. Dieselben Musiker glauben wir aber später daheim auch in einem Fernsehbericht wieder zu entdecken, es scheint sich also um eine feste Revierzuteilung zu handeln und nicht um die Vorstufe zum organisierten Diebstahl, wie der misstrauisch geprägte Tourist gerne mal unterstellt. In Ruhe genießen wir unsere Brotzeit beim Anblick der Alhambra und erinnern uns an die Gegenperspektive, die wir ja erst zwei Tage zuvor genießen durften.

Wir schauen uns den Platz hinter der Kirche an. Die dortige Ansammlung von Bars und Cafés ist aber so offensichtlich auf dem Empfang von Busladungen von Touristen ausgerichtet, dass wir die anstehende Kaffeepause doch auf spätere Gelegenheit verschieben. Das folgende Fotoshooting bringt zwar weitere, schöne Aufnahmen der Alhambra. Den merkwürdigen Gegensatz dieses engen Tals an der Steuerbordseite des mächtigen Burgschiffs zum eigentlichen Stadtkern selbst, von dem aus nicht einmal der Bug zu erkennen ist, können sie jedoch nicht ausdrücken. Die Sicht auf die Steuerbordseite vom Realejo aus werden wir zumindest in diesem Urlaub leider ohnehin nicht mehr schaffen.

Möglicherweise macht aber gerade das die Faszination Granadas aus: Alle 500 Meter eine neue Welt, sei es städtebaulich, sei es historisch, sei es von der Topografie bestimmt oder alles zusammen.

Albaizin: Malerische Gassen im maurischen Viertel

Wir lassen uns bergab durch die engen Treppchen und Wege treiben. Einige der Lokalschilder kommen mir aus diversen Empfehlungen bekannt vor, trotz Lores Drängelns bin ich aber zu feige, nur für einen Kaffee einzukehren. Immerhin ist nach spanischen Begrifflichkeiten um 14 Uhr immer noch Mittag und damit Essenszeit. Vielleicht werde ich es nie lernen, mich notfalls auch einfach wie der "blöde" Tourist zu verhalten, wenn es gerade passend wäre.

Natürlich ist es einsam hier, jetzt, zur Siestazeit. Man merkt aber schon, nicht gerade durch ein Museum zu laufen, sondern durch ein gelebtes Viertel, in dem sich Reichtum und Armut die Hand geben. Schöne, weißgekalkte Häuschen wechseln sich durchaus ab mit Bruchbuden, die offenbar noch auf ihre Umwandlung in eine schöne Ferienwohnung warten. Kleine Plätzchen mit Brunnen, dazwischen auch immer wieder Schilder oder Schaufenster, die auf künstlerische oder stadtentwicklungsorientierte Projekte hinweisen.

Für junge Leute mag es schon ein schöner Platz sein, hier abends auf einer Dachterrasse zu sitzen, die beleuchtete Alhambra sehen zu können und Wein zu schlürfen. Für uns mit dem Schnauf-Handicap würde es bedeuten, für jeden Schritt außer Haus mit dem Bus wieder nach oben fahren zu müssen, um dann herunterzutraben, vom Reisegepäck ganz zu schweigen. Wir sind also ganz froh, die meist hier angesiedelten, alternativen Ferienwohnungs-Angebote für Granada ausgeschlagen zu haben. Ein eigener Mietwagen und eine Wohnung hier schließen sich jedenfalls komplett aus, das wird jetzt deutlich. Die meisten Adressen sind nur zu Fuß erreichbar, sowohl für Anwohner wie für uns.

Das tut aber der Schönheit des Viertels an sich keinen Abbruch. Natürlich fehlt etwas die wilde Landschaft der Örtchen in der Alpajuerra , wie wir sie gestern besichtigen durften. Ansonsten taucht man hier aber nach wenigen Schritten komplett ein in das Klima der viel beschriebenen weißen Dörfer Andalusiens, obwohl man gerade noch in der großen Stadt war. Vielleicht mag ja die Siesta-Stille dazu beitragen, trotzdem erscheint die Welt hier völlig anders als wenige hundert Meter weiter unten an der Plaza Nueva.

Dorthin kommen wir fast schneller, als uns lieb ist. Urplötzlich folgt am Ende eines Torbogens kein weiteres Treppchen, sondern die schon sichtbare Steinbalustrade ist einfach nur die Straßenbegrenzung zum Darrio. Wir sind unten angekommen, die Burg schon wieder weit über uns, praktisch nicht mehr zu sehen. Ein paar Bars, Souvenirläden und Hotels wechseln sich ab, und schon stehen wir wieder auf einem großen Platz. Erst nach ein paar Minuten begreifen wir, dass wir wieder auf der Plaza Nueva angekommen sind, weil Blickwinkel und Herkunft eben so verschieden sind.

Beim jetzt verdienten Milchkaffe fällt mir auch zum ersten Mal auf, dass der vermeintliche Uhrturm über unseren Köpfen tatsächlich der Wachturm der Alhambra ist, von der ansonsten von hier aus kein Zentimeter zu sehen ist. Vielleicht bekomme ich ja tatsächlich doch noch ein Gefühl für die Topografie dieser Stadt.

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Zuletzt aktualisiert am 27. Mai 2014

Mit ausdrücklichem Dank an Apachefriends und alle Open-Source-Entwickler, deren Arbeit solche Projekte erst ermöglicht
sowie an Lore für Begleitung und Ertragen programmierungstechnisch bedingter Abwesenheiten

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